Sonntagmorgen, 4:02 Uhr.
Üblicherweise eine Zeit, wo ich wie ein Murmeltier schlafe. Aber ich werde wach, weil mein Metallbett quietscht und rüttelt, ich höre, wie der Holzperlenvorhang vor dem Bad schwingt und die Perlen dabei klappern und ich höre ein Geräusch, als würden die Glasteile eines Kronleuchters aneinanderklirren. In meinem Schlafzimmer ist aber gar kein Kronleuchter. Später realisiere ich, dass ich das Klirren der Gläser im Schrank im Nebenzimmer gehört habe.
Ich bin also aufgewacht von den Geräuschen und ich spüre, wie alles wackelt. "Aha", denke ich, "Erdbeben!" Gelegentlich sieht man auf Youtube oder im Fernsehen Reportagen über schwankende Gebäude in Japan oder so. Und es wird geraten, nicht unters Bett zu kriechen oder Ähnliches. Wenn man es nicht mehr rechtzeitig ins Freie schafft, soll man sich dicht neben einen stabilen Gegenstand - idealerweise ein Bett oder eine Kommode - legen. Für den Fall, dass die Decke von oben über einem zusammenstürzt ist dann die Chance gross, dass die Bett- oder Kommodenkante das Deckenteil abstützt, so dass man in dem entstehenden Hohlraum ohne größere Blessuren überleben könnte.
Das alles fällt mir tatsächlich um 4:02 h morgens im Dunkeln ein. Aber um diese Zeit kann ich nicht gleichzeitig erinnern, denken und reagieren. Als ich mir die Überlebensstrategien in Erinnerung gerufen habe, ist der 20sekündige Erdstoss auch schon vorbei. Ich wäre problemlos wieder eingeschlafen und hätte mich morgens womöglich gar nicht mehr daran erinnert. Esther macht mir aber einen Strich durch die Rechnung. Inzwischen habe ich sie ein Stockwerk höher schockiert mit Dunya reden gehört. Sie macht das Licht an und kommt die Treppe herunter. Spontan will sie das Haus verlassen und es auch nicht wieder betreten. Ich versuche, sie zu beruhigen. "Das war doch nur ein Erdbeben... obwohl ich auch noch nie ein so starkes Beben erlebt habe..." Nun schaut sie mich verdutzt an: "Erdbeben??? Meinst Du? Woher weißt Du das? Ich dachte, wegen der Risse in der Hauswand (die übrigens gar nicht existieren, und wenn, dann allenfalls nur minimalst...) bricht nun das Haus zusammen!"
In der Tat hat sich das Erdbeben so angefühlt. Eine Stunde später gibt es ein Nachbeben - welches ich im Halbschlaf im Bett liegend erlebe. Die Erdbewegungen fühlen sich an wie ein Schwimmen, weshalb ich dieses Nachbeben zunächst für eine Kreislaufschwäche meinerseits halte.
Morgens erfahren wir dann aus den Medien, dass es sich um ein Beben der Stärke 6,0 gehandelt hat, mit dem Epizentrum in Sant' Agostino, Provinz Ferrara, in der Nähe von Modena. Das sind vielleicht 200 km Luftline Entfernung von uns. Ich schlussfolgere, dass wir das Beben also mit vielleicht Stärke 4,0 wahrgenommen haben. Aber auch das reicht völlig aus... |